17.06.2016


Strafverfahren gegen Böhmermann

Die Causa Böhmermann war das die Öffentlichkeit beherrschende Thema des Frühjahrs. Fällt das vorgetragene Gedicht des Moderators über den türkischen Präsidenten Erdogan nun vollumfänglich in den grundrechtlichen Schutzbereich der Meinungs- bzw. Kunstfreiheit oder überschreitet es die Grenze zum Strafrecht? Nachdem die Bundesregierung die eingehende Strafanzeige Erdogans wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts gemäß § 103 StGB geprüft und eine Strafverfolgung zugelassen hatte (eine Bewertung dieser Entscheidung lesen Sie in unserem Newsletter vom 13.5. auf S. 2 f.), leitete die Staatsanwaltschaft Mainz ein Strafverfahren offiziell ein. In unserer Abstimmung wollten wir wissen, welchen Verfahrensausgang die User von Strafrecht-Online erwarten.

Dem vorläufigen Endergebnis (Stand: 17.6.; 229 Stimmabgaben) zufolge kommt Böhmermann glimpflich davon. 41,4 % prognostizieren einen Freispruch. 32,3 % gehen gar von einer Einstellung des Verfahrens aus. Bemerkenswert verlief indes die Entwicklung der Stimmenverteilung. Während in den ersten Tagen der Abstimmung, in denen das Thema medial noch omnipräsent war und eine breite Solidarisierungswelle mit Böhmermann durchs Land schwappte, die eine Einstellung oder einen Freispruch erwartende Mehrheit überwältigend war, wuchs der Anteil derjenigen, die eine Verurteilung Böhmermanns für den wahrscheinlichsten Verfahrensausgang halten, beharrlich an und beträgt nach derzeitigem Stand immerhin knapp über 25 %.

Das veränderte Abstimmungsverhalten mag auch unter dem Eindruck der in der Zwischenzeit erfolgten zivil- und verwaltungsrechtlichen Urteile das Gedicht betreffend gestanden haben. Das Landgericht Hamburg erließ eine einstweilige Verfügung gegen Böhmermann , die ihm die Wiederholung bestimmter Passagen des Gedichts, die das Gericht als schmähend und ehrverletzend einordnete, verbietet. Und das Verwaltungsgericht Berlin untersagte die Präsentation des Gedichts auf einer Demonstration vor der türkischen Botschaft.

Für das parallel laufende Strafverfahren entfalten die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Abwägungen jedoch keine präjudizielle Wirkung. Die Staatsanwaltschaft Mainz wird zunächst das Vorliegen der Voraussetzungen einer Verfahrenseinstellung sorgfältig zu prüfen haben. Dabei kann nicht nur die Einstellung wegen fehlenden Tatverdachts gemäß § 170 Absatz 2 StPO eine Rolle spielen, sollte die Staatsanwaltschaft den grundrechtlichen Positionen rechtfertigende Wirkung zumessen und eine Verurteilung daher aus rechtlichen Gründen für unwahrscheinlich erachten. Auch eine Einstellung aus Opportunitätsgründen nach den §§ 153 ff. StPO kommt in Betracht. Diese verlangt zwar ein fehlendes oder geringes und zu kompensierendes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, ist aber nicht bereits wegen der Prominenz des Täters oder der breiten öffentlichen Erregung ausgeschlossen (vgl. die Einstellungsentscheidungen in den Strafverfahren gegen Sebastian Edathy, Bernie Ecclestone oder Helmuth Kohl).

Kommt es hingegen tatsächlich zu einer Anklage und in der Folge gar zu einer Verurteilung, dürfte diese in erster Linie eine große symbolische Wirkung haben. Denn was die konkrete Bemessung der Strafe gegen Böhmermann anbelangt, so wäre auch an § 60 StGB zu denken, demzufolge von Strafe bei im Anschluss an die Tat erlittenen außerstrafrechtlichen Nachteilen – Böhmermann erhielt Morddrohungen und wurde über Tage auch im privaten Umfeld von Fotografen umlagert - abgesehen werden kann.


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