Vortragsreihe TACHELES

Vortrag „Der NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg“

Referent

Alexander Salomon, MdL

Veranstaltungsbeschreibung

7. Mai 2015, 20 Uhr c.t., Kollegiengebäude I – Raum 1098

Alexander Salomon trug zum neuen NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg vor ca. 45 Personen vor. Er ist Landtagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied des Ausschusses.

Die NSU-Untersuchungsausschüsse des Bundestages und von Thüringen haben eine Menge an Fragen auch an die Sicherheitsbehörden Baden-Württembergs, vornehmlich Polizei und Verfassungsschutz, aufgeworfen. Diese sollen nun unmittelbar durch den Untersuchungsausschuss vor Ort aufgearbeitet werden. Die Ausführungen Salomons machten jedoch sehr schnell klar, dass dies kein einfaches Unterfangen werden wird. Zu verworren sind die vorhandenen und vor allem nicht vorhandenen Ermittlungsergebnisse rund um die Fälle Michèle Kiesewetter, Florian Heilig und die gesamte rechte Szene in Baden-Württemberg.

Als Zuhörer des Vortrages kommt man nicht umhin, hinter die Ermittlung zum NSU ein großes Fragezeichen zu setzen. Unklar bleibt z.B., ob sich der als Zeuge geladene Florian Heilig, der vielleicht die Mörder von der Polizistin Michèle Kiesewetter schon frühzeitig hätte benennen können, wirklich am Tag, an dem er aussagen sollte, selbst entzündete und so seinem Leben ein Ende setzte. Jedenfalls überrascht es, dass der leitende Staatsanwalt noch am Tag des Geschehens von einer Selbsttötung ausging und damit weitere strafprozessuale Ermittlungen beendete, obwohl die Brisanz der Person Heilig bekannt war. Unklar bleibt auch die Rolle des Ku-Klux-Klan, dem auch Kollegen von Michèle Kiesewetter angehörten und bei dem V-Leute des Verfassungsschutzes engagiert waren. Zudem wirft das Bekennervideo des NSU die Frage auf, ob vielleicht nicht „nur“ die Tötung von neun Migranten sowie von Michèle Kiesewetter auf das Konto des NSU gingen, sondern noch weitere ungeklärte Morde von ihm begangen wurden oder geplant waren.

Eine Aufklärung der wirklichen Abläufe durch den Untersuchungsausschuss wird auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, wie die Ausführungen Salomons zeigten. Die Zeugenaussagen sind alles andere als eindeutig. Die vielen Verbindungen möglicherweise beteiligter Personen in die rechte Szene können jetzt kaum noch umfassend aufgeklärt werden. Problematisch ist dabei auch, dass Akten, die dem Ausschuss vorliegen, aus Gründen der Geheimhaltung zum Teil nicht verwendet werden dürfen. Häufig ermöglicht erst ein Bericht in den Medien, die dann öffentlichen Informationen zum Vorhalt gegenüber den Zeugen zu nutzen.

Salomon sieht in dem NSU-Untersuchungsausschuss die Chance, verlorenes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden zurückzugewinnen. Er geht davon aus, dass nicht die Polizei als Behörde versagt habe, sondern einzelne Beamte. Die Polizei war aus seiner Sicht zu weit weg, während der Verfassungsschutz zu nah dran, ja sogar dabei war. Letztlich wird man abwarten müssen, ob sich die gemutmaßte Blindheit deutscher Polizisten als Problem einzelner Beamter oder doch als ein solches struktureller Art erweist.