Vortragsreihe TACHELES

Vortrag „Überwachung - soziale und politische Auswirkungen“

Referent

Dr. Elisa Orrù, Wissenschaftlerin am Husserl-Archiv und am Centre for Security and Society der Universität Freiburg

Veranstaltungsbeschreibung

Ein Paradox charakterisiert die aktuelle Debatte über Überwachung: Einerseits können nicht alle negativen Effekte der Überwachung auf konkrete Verletzungen der Privatsphäre bzw. des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung reduziert werden. Andererseits beschränken sich die Maßnahmen und Strategien zur Begrenzung dieser Effekte vorwiegend auf den Schutz individueller Rechtsgüter, also den Schutz personenbezogener Daten im Einzelfall und damit eines Datenschutzes im konventionellen Sinne. Verschiedene aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene liefern hierfür Beispiele, von der Entscheidung im April 2014 des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung bis zu den aktuellen Plänen einer Einführung von Standards eines „Privacy by Design“. Letzteres geht dahin, die besonderen Erfordernisse des Datenschutzes bereits zu einem frühen Zeitpunkt in Programme und Hardware zu integrieren, da sich bekannte, aber auch oftmals versteckte Gefahren neuer technischer Systeme nur schwer beseitigen lassen, wenn die Grundkonzeption erst einmal feststeht.

Anhand dieser Beispiele wird Frau Dr. Orrú sowohl die Schwächen des privatheitszentrierten, individualrechtlichen Ansatzes als auch die Auswirkungen von Überwachung darstellen, und zwar deren soziale als auch politische, negative Effekte. Hierzu kann auf die Ansätze von Max Weber und Michel Foucault Bezug genommen werden. Die sozialen negativen Auswirkungen von Überwachung fokussieren in Fragen der sozialen Gerechtigkeit und können zu Diskriminierung und Ausgrenzung spezifischer Gruppen führen. Die politischen Effekte von Überwachung umfassen den sog. chilling effect und die damit verbundenen Einschränkungen bestimmter Grundrechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Die Referentin wird nicht bei einer Kritik der aktuellen Entwicklung stehen bleiben, sondern mögliche Alternativen zum privatheitszentrierten, individualrechtlichen Ansatz zur Diskussion stellen.

Zur Person: Dr. Elisa Orrù, promovierte Juristin und Rechtsphilosophin, habilitiert an der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zum Thema Überwachung in der EU. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Husserl-Archiv und am Centre for Security and Society der Universität Freiburg und hat u.a. im EU-Projekt „SURVEILLE. Surveillance: Ethical Issues, Legal Limitations and Effectiveness“ mitgearbeitet.

Weitere Informationen zu Person und Wirken von Frau Dr. Orrù: http://www.sicherheitundgesellschaft.uni-freiburg.de/personen/forschungsteam/orru